24.07. – 31.07.2022

Fischertagsverein
Der Fischertag 1950 knüpfte an die Tradition der großen Fischertage an

Der Schmotz von 1950 - 1964

Der Fischertag 1950 knüpfte an die Tradition der sogenannten großen Fischertage an und wurde mit einem langen, vielgesichtigen Festzug und Theateraufführungen begangen. Einige der damals Beteiligten bekommen heute noch leuchtende Augen, wenn sie davon erzählen. Natürlich durfte auch der Schmotz nicht fehlen. Neu war, dass der Schmotz, die Stadtgarde und, ein Jahr vorher schon, die Sieben Schwaben als Gruppe im Fischertagsverein geführt wurden. Neu war auch, dass der Auszug des Fischerkönigs mit Gefolge am Abend des Fischertags zur ständigen Einrichtung gemacht wurde. Die Zusammensetzung der Schmotzgruppe war allerdings einem ständigen Wechsel unterworfen.

Als erster Gruppenführer erscheint in den Protokollen Karl Bäßler, und an anderer Stelle heißt es: „Stadtschmotz:
16 Personen, Kostüme: ja; Haartracht u. Maske: ja.“ Später werden 20 Personen genannt und bei dieser Gruppenstärke ist der Schmotz bis heute geblieben. Gestellt wurde die Gruppe von dem Absolventenbund MAV/Vandalia. Mit geschulterten, bekränzten Krucken (= Schippen) marschierten die Schmotzer in Reih’ und Glied, getreu dem Vorbild früherer Jahre.

Für das Jahr 1952 erfahren wir in einer kurzen Protokollnotiz zunächst: „Stadtschmotz: 12 Mann, gestellt vom TVM (Handballabteilung), Ltg. Herbert Bilgram, Friseur: Albert Günther“. Mit dieser Neuzusammenstellung (auch Leichtathleten waren beteiligt) änderte sich das Erscheinungsbild des Schmotz’ im Festzug: Erstmals wurden neben den Schippen auch Requisiten verschiedenster Art (Töpfe, Bleche, Alteisen, Reifen, ...) mitgeführt. Sehr wirkungsvoll war daneben das gemeinsame Trinken aus einem alten Nachttopf. Weiter erhalten wir den Hinweis auf eine Einlage des Schmotz am Fischerabend, aber leider nicht, welcher Art diese Einlage war. Nachdem jedoch am Mittwoch vorher zusammen mit der Stadtgarde und den Sieben Schwaben eine Hauptprobe stattfand, scheint sie wohl eine größere Aktion gewesen zu sein. Die Memminger Zeitung (MZ) schrieb darüber: „Die Einlagen der Stadtgardisten, der Sieben Schwaben und des ‚Stadt-Motz’ (Der Reporter wusste wohl mit dem ‚Schmotz’ nichts anzufangen; d. Verf.) waren der Hochstimmung angepasst, die Halle dröhnte vom Gesang, das Bier löschte den Durst ...“

Über den Umzug von 1953 berichtete die MZ: Dem Königswagen „folgt der Stadtschmotz, die Stadtbachkehrer, die neben einem Fäßchen Bier zahlreiches Gerümpel aus dem Bach mitführen.“

Daneben durften die „Schmotzbuben“ (MZ) am Sonntag nach dem Fischertag bei der Huldigung des Fischerkönigs auf dem Marktplatz mit einem langen von Walter Braun verfassten Gedicht auftreten und mit verteilten Rollen die Beschwerden der Schmotzer über die Bachverschmutzung, die Geschichte des Schmotz durch die Jahrhunderte und über die Ehre, ein Schmotzer zu sein, vortragen:
„ ‚... Wer ka bloß über solche Sacha
Wia ‚Schmotz’ und ‚Dreck’ grad au no lacha?
I finds it schö! Und du?’ ‚I au,
und obendrein no wüaschte Sau!’

‚I moi, dau send mir bloß blamiert,
Wenn über so was wird dischkriert.
Ma moint ja, d’ Stadt sei voller Dreck
Grad um und um an jedem Fleck.’ ...

‚Als Welf der Sechste seinerzeit -
s’isch scho a halbe Ewigkeit -
D’ Stadt Memmingen gegründet hat,
Da ging die Sache gut und glatt;
Die Gassen sauber, d’ Häusle schön -
War eine Lust es anzusehn.

Doch ein paar Monat später, schau:
Gass auf, Gass ab die Kuh, die Sau,
Das Roß, die Hühner, auch die Kinder,
Da war es leider schon viel minder.

Man hat auch damals nicht verregnet,
Was noch bei uns den Stuhlgang segnet.
So sah’s bald reichlich schmutzig aus
Im Hof, am Markt, in jedem Haus. ...
Der Dreck blieb allerdings im Bach.
Doch schließlich fand man nach und nach
Auch hier den Ausweg: Jedes Jahr
Räumt man den Bach, bis wieder klar
Das Wasser durch das Städtlein rinnt. -
Das Weitere weiß jedes Kind:

Allmählich wurde draus ein Fest
Der Sauberkeit. Bevor man läßt
Das Wasser aus dem Bache fließen,
Darf Jung und Alt noch schnell genießen,
Wie’s Fischen tut, daß ja kein Trumm
Von Bachforellen komme um
Im schmutz’gen Wasser und im Dreck.

Dann räumt der Schmotz das Letzte weg -
Und das sind wir!’
‚Jatzt dau lueg her!
Nau isch des schließlich no a Ehr
Und mir symbolisieret nur
Die sauberschwäbische Natur?’ ...

‚Wer moint, der Bach sei für da Dreck,
Und all sein Glump dorthin schmeißt weg,
Der g’hört aus unserm Städtle naus!’
‚Dau isch der Schmotz, mir räumet aus!’...

‚Wer moint, er könn politisch hetza,
Um unsern Frieden zu verletza,
Für den sei selber d’ Ruhe aus!’
‚Dau isch der Schmotz, mir keiet ihn naus!’...

‚Jetzt wisset ihr, was Schmotz bedeut’t:
Drum achtet des, ihr liebe Leut,
Und gibts an Dreck in Stadt und Haus:’
‚Dau isch der Schmotz! Und etz isch aus!’“


Neben anderen Gruppen wurde der Schmotz auch in Jahr darauf im Rahmen der Huldigung erwähnt. Er trat unter der neuen Leitung von „Schedele jun.“ mit dem Schmotzlied und den den einleitenden Worten von F.W. Hermann auf:

“Zum Treiba wia im Haberfeld
Hant mir heit unsern Schmotz herb’schtellt.
Hausch Dreck am Schteaka, dersch di ducka,
D’r Schmotz, der tuat’s heit alle mucka.“

Anschließend folgte wiederum mit verteilten Rollen der Vortrag des diesmal von F.W. und E.W. Hermann verfassten Gedichts, das die Arbeit des Schmotz und Kritik am Zeitgeschehen zum Inhalt hatte. Auch hier einige Strophen als Kostprobe:

„ ...Ma haut da Bach g’nutzt allerweag:
d’ Weiber hant g’wäscha uf de Steag
und macht a Beck sei Vochets z’klei,
tonkt ma’n zur Schtrauf in Stadtbach nei.
Des wär für mancha Lompabruat
in unsrer Stadt au heit no guat.

Doch alles schwemmt d’r Bach it weg
s’ Dick bleibt flacka schtets vom Dreck
und g’schtonka haut d’r Bach und wia,
daß alle Leit nauch uns hant g’schriea:
‚Um Himmelswilla, kotz, kotz, kotz,’
haut’s g’hoißa, ‚holet doch da Schmotz!’ ...

Und isch d’r ganze Bach ausg’fischt
nau kommet mir, nau haut’s en Schlanz
mir raumet aus no vollends ganz
de alta Dreck und Hafascherba
und d’ Ratza lant mir alle schterba
und wenschat jedem `s Bauchweh a,
der unsern Bach verdreckla ka! ...

Ja moit vielleicht a so a Rieabl,
der Bach sei für sein Dreck a Kieabl?
De keiet mir zum Schtädtle naus!
Mir send d’r Schmotz, mir raumet aus!
Wer gar vom Bachzuadecka schwätzt,
sei’s au a Bürger sonsch hochg’schätzt,
und schtauht mitt’ in d’r schtadt sei Haus
D’r Schmotz treibt ehm dia Tod send aus!

Wer goschlet, nörglet, kritisiert,
für’s Hoimetfescht koin Finger rührt,
koi Fahna hängt zum Fenschter naus:
Dau isch d’r Schmotz, der Siach muß naus!

Für Sauberkeit in Schtadt und Haus
sorget d’r Schmotz! - Und iaz isch aus!“

Über die folgenden Jahre erfahren wir nur wenig Offizielles über den Schmotz. Lediglich die MZ schrieb über die Huldigung 1955: „Den Abschluss bildete selbstverständlich die Schmotzgruppe, die in ihrer abenteuerlichen Bekleidung ihre Sprüche riß“ und brachte von der Huldigung 1958 ein unscharfes Bild, auf dem die Schmotzer als solche erkannt werden können.

In den folgenden Jahren bauten sich zunehmend Spannungen über die Art des Schmotzens während des Umzugs zwischen dem Vereinsvorstand und dem Schmotz auf, die ihren Höhepunkt in der Auflösung der Schmotzgruppe im Frühjahr 1964 hatten. Zunächst hieß es noch ganz friedlich, dass die Schmotzer 1960 neue blaue Hemden bekommen sollten, wofür Karl Bäßler verantwortlich war. Während die Vorstandschaft, allen voran der erste Vorsitzende Max Schmid, dem Treiben der Gruppe am Fischertag wenig abgewinnen konnte und heftige Kritik übte, sahen die Schmotzer selber ihre Auftritte durchaus als fischertagsgemäß an.

Auch die MZ vermeldete in ihren Berichten nichts Ehrenrühriges, klang doch sogar aus einzelnen Zeilen Bewunderung und Lob durch. „Gleich hinter dem Drachen tobte dann die unvermeidliche Schmotz-Gruppe daher und trieb zum Gaudium aller Zuschauer ihr Unwesen. Schon hinten am Drachenwagen wurde allerlei ‚Glump’ aus dem Stadtbach dahingeschleift, während diese ‚Fischer’ all jenen Abfall anschleppten, der im ‚Rio Memmingo’ nach der großen Auskehr ‚strandete’. Daß sie mit großen Holzschippen auch gleich noch die vorher frisch gefallenen ‚Roßbolla’ zusammenscharrten, wurde mit ausgelassenem Sonderbeifall bedankt. Die ‚wildgewordene Kinderschees’ der Schmotzfischer sauste wie ein geölter Blitz kreuz und quer über die Straßen und das darin liegende ‚Opfer’ dürfte wahrscheinlich der Seekrankheit verfallen sein“ (MZ 1960).
„ ... und ganz zum Schluß trieben natürlich die Aktiven der Schmotzgruppe ihre obligatorischen Späße bei ihrer harten Arbeit“ (MZ 1961). „... den guten Rest besorgte die Schmotzgruppe, deren Treiben die Lachtränen in die Augen trieb. Sobald auch nur ein Rößlein ‚äpfelte’, stürzte sich die Meute mit Wonne darauf und schob ‚es’ mit Triumphgeheul über die Fahrbahn. Was der Schmotz heuer an Vehikeln zusammengebastelt hatte, würde jedem Museum zur Ehre gereichen“ (MZ 1962). „.. und endlich die ‚wüaschte Siacha’ vom Schmotz“ (MZ 1963).

Max Schmid sah die Sache anders. Er kritisierte nicht nur in seinem alljährlichen Rückblick „Der Schmotz hat wieder den Zug abgerissen und sich unschön verhalten, auch zu viel getrunken“, sondern auch in einem Gespräch mit der MZ das Verhalten der Schmotzer, wogegen diese in einem Leserbrief Stellung bezogen. „ ‚Der Schmotz muß nächstes Jahr von einer energischen Hand geleitet werden!’, lasen wir in der Freitagsausgabe. Das ist vollkommen richtig - störend wirkte nur, daß der Schmotz die einzige Gruppe ist, die mit Kritik belastet wurde... Über das ‚nasse Thema’ schweigt man besser.

Wer könnte schon mit mehr als 15° Schlagseite auf solchen Fahrrädern fahren? Übrigens: Andere traditionelle Gruppen des Zuges hatten auch mehr als die erlaubten 15° Neigung. Das nur, weil man nicht mehr weiß, wie man noch schmotzen könnte. Vielleicht in zackiger Viererreihe, ein Lied usw...“

Ganz massiv wurde Schmids Kritik in seiner Nachlese zum Fischertag 1963. „Lediglich die Schmotzgruppe fiel diesmal besonders unangenehm auf, weil sie in ganz ordinärer Weise sich mit dem Pferdemist befaßte und trotz aller Ermahnungen in vielen Wirtschaften haltmachte. Ich habe extra vor dem Abmarsch des Zuges die Leute dieser Schmotzgruppe dringend ersucht, ordentlich zu sein und den Zug nicht abreißen zu lassen, und bekam von vielen Seiten zu hören, daß sich diese Leute flegelhaft benommen hätten. Durch dieses flegelhafte Benehmen hat sich ein Mitglied dieser Gruppe ein Bein gebrochen, ein anderer erlitt eine Kopfwunde. Wir werden in den kommenden Jahren entweder den Schmotz ganz weglassen oder mit ganz anderen Leuten besetzen, welche die Gewähr bieten, daß keine Ausschreitungen vorkommen.“

Diesen deutlichen Worten des ersten Vorsitzenden folgend, fasste der Vorstand im Frühjahr 1964 den Beschluss: „Der Schmotz soll an diesem Fischertag nicht dabei sein. Es wurde erwogen, Herrn Steiger von der Evang. Jugend zu bitten, evtl. für die Zukunft eine seiner Gruppen für den Schmotz zur Verfügung zu stellen.“ Über die folgende turbulente Fischerversammlung schrieb die MZ: „Mit einem Paukenschlag endete die Ansprache des Vorsitzenden, als er erklärte, aufgrund der Vorkommnisse vom Vorjahr würde heuer keine Schmotzgruppe geduldet. Man wolle damit nicht endgültig den Stab brechen, es müsse aber künftig die Gewähr gegeben sein, daß es zu keinen unliebsamen Erscheinungen mehr kommen würde. Wenn der ‚Schmotz’ üble Elemente ausmerze, werde die Gruppe am Großen Fischertag 1965 wieder zugelassen werden, heuer aber müsse man ein Exempel statuieren. Es war schon eine kleine Revolution, die jetzt ausbrach. Man bat und bettelte und versicherte, die Störer auszuschließen, aber der Ausschuß blieb hart. Man müsse einmal drastisch durchgreifen, denn der Fischertag sei keine Fastnacht und nicht zuletzt werden Fremde abgestoßen von einem solch wüsten Treiben wie im Vorjahr. Sprecher vom ‚Schmotz’ meinten, man dürfe nicht die ganze Gruppe verdammen und schließlich sei der Krönungsauszug ja kein Trauerzug. Das viele Freibier in den vielen Wirtschaften am Wege sei mit schuld an den Ausschreitungen einzelner, im übrigen solle man Gnade walten lassen.“ Auch heute noch stehen einige damalige Schmotzer dazu, Rossbollen auf der Straße hin- und hergeschoben, auch aufgeladen, ja sogar geworfen zu haben. Doch berufen sie sich darauf, dass die Zuschauer jedes Jahr auf den Schmotz gewartet und seine Auftritte mit Vergnügen aufgenommen hätten. Trotz der offiziellen Abbitte, die der Schmotz leistete, blieb der Ausschuss bei seiner Entscheidung. So durfte in diesem Jahr nur ein kleiner Bub mit einem umgehängten Schild mit der Aufschrift „Schmotz“ die traditionsreiche Gruppe im Umzug vertreten. Ein trauriges Bild!

Die Anfrage an die Evang. Jugend wurde dort mit Begeisterung aufgenommen, so dass ab 1965 der Schmotz in deren Hände gelegt wurde, was sicher nicht zum Schaden des Fischertagsvereins war, wie das bis heute erfolgreiche Wirken zeigte.